– wenn Hunde beißen, weil sie es wollen… Ein Erfahrungsbericht vom Tierschutzhof Gieshübel – 

 
Er sieht so nett aus, gell? Tja, Pustekuchen, gestern Abend hatten wir die Situation, auf die wir schon die ganze Zeit gewartet hatten, seit Casimo letzte Woche bei uns einzog.
 
Er gilt als bissig, wenn man von ihm etwas will, was er nicht will und auf den Geschmack war ich schon bei der Abholung gekommen (er lebte seit dem Winter als Pensionshund im Tierheim Roth e.V.), als ihm die Trainerin, die ihn betreut hatte, ein Geschirr anziehen wollte.
 
Bei der Aktion trug er zwar einen Maulkorb, aber wir beide hatten ihn kurzzeitig an unserem Körper hängen, wo er den Klammergriff einsetzte und uns wild attackierte. Ohne Maulkorb wäre das ziemlich böse ausgegangen, aber ich bin immer ganz froh, wenn sich sowas direkt am Anfang zeigt, dann weiß man bzw. kann besser abschätzen, was da auf einen zukommt.
 
Die letzten Tage war er mega lieb, fast schon ZU lieb – ich sagte gestern Mittag noch zu meinem Mann „Ich bin echt mal gespannt, wann er sein wahres Gesicht zeigt…“. Wenn du mit rund 20 Hunden zusammen lebst, ihre ganze Körpersprache jeden Tag beobachtest und daraus lernst, dann fallen dir bei solchen Hunden wie Casimo winzige Details in der Körpersprache auf, die darauf hindeuten, dass da noch etwas „im Busch“ ist.
 
What happened? Wir gehen um ca. 22 Uhr mit unserer Meute immer nochmal in den Hof, letzte „Pipi-Kacki-Runde“, bevor es ins Bett geht. Das ist für mich eigentlich immer die schönste Zeit am Tag mit den Hunden, da ich eine Nachteule bin und mich nach 20 Uhr am wohlsten fühle 😄.
 
So, alle laufen also brav und ausgelassen raus, denn die Abendhofzeit heißt für sie: Spielen, Buddeln, in den Abend lauschen, Mäuse im Hof suchen, durch die Zäune gucken, wo Fuchs und Reh auftauchen, damit man zusammen mit den anderen Hunden heulen und Alarm schlagen kann wie die Wölfe.
 
Casimo wollte nicht. Es war dieses „Nö, jetzt gucke ich mal, was ihr so macht, wenn ICH keinen Bock habe und einfach mal Nein sage…“
 
Er ließ sich nicht locken, legte sich sogar noch demonstrativ hin, und taxierte uns die ganze Zeit dabei mit einem neuen Blick, den ich die Tage davor noch nicht gesehen hatte.
 
Ihr müsst wissen, Casimo hat mehr als 10 Jahre wild auf der Straße und in einem rumänischen Shelter verbracht – ein Einzelkämpfer, der sicher oft um sein eigenes Überleben kämpfen musste…
 
Dazu hat er leider die Erfahrung gemacht und auch verinnerlicht, dass er seinen Sturkopf durch die Wand bekommt, wenn er nur beharrlich – und zur Not mit Gewalt – dabei bleibt. Ja, und ich muss sagen, das war gestern sehr, sehr unschön.
 
Denn plötzlich stand er auf, baute sich vor Micha auf, volle Demonstration aller Drohgebärden, der Körper unter Hochspannung, knurrend, zähnefletschend. Hui, der Kerl wollte doch tatsächlich sein Zimmer für sich allein beanspruchen und Micha jetzt da weg haben. Ich stand einen Meter weiter entfernt schon in dem kleinen Auslauf, der an Casis Zimmer grenzt.
 
Micha war so geistesgegenwärtig, sich einen Klappstuhl zu schnappen, der neben ihm stand und vor seine Beine zu halten, denn wenige Augenblicke später, als er Casimo noch einmal aufforderte, raus zu den anderen zu gehen, griff er an. Biss sich im Stuhl fest und schüttelte, ließ immer wieder kurz ab, um dann erneut zu attackieren.
 
Wir kennen solche Situationen zwar, aber schön ist es nicht. Casimo war ab diesem Moment wie im Film, leider nicht mehr zugänglich. Aber: es gehört zu den Gieshübel -Regeln, dass wir ALLE abends nochmal zusammen raus gehen, allein schon, weil wir natürlich keinen Bock darauf haben, dass uns nachts die Bude von so vielen Hunden vollgepinkelt wird – wir leben alle zusammen im Wohnhaus.
 
Es ist nicht zu viel verlangt, das zu erwarten, also blieb Micha standhaft, blieb einfach ruhig, wartete, ob sich der wütende, große Rüde selbst beruhigen würde und achtete nur darauf, dass Casimo nicht an dem Klappstuhl vorbei kommt.
 
Leider ist Casimo wirklich davon überzeugt, aufgrund seiner Erfahrung, dass ER stets als Sieger aus solchen Konfrontationen hervorgeht.
 
Er machte vehement weiter mit seinen Attacken, war aber zumindest mittlerweile aus der Tür raus und FAST im Hof, aber nur fast, und machte keinerlei Anstalten, mit seinen Attacken aufzuhören.
 
Neben dem Zimmer habe ich einen Pflanztisch mit Wasseranschluss – als uns klar wurde, dass er sich nur immer weiter in seine Wut hineinsteigert, ließen wir kurz Wasser aus dem Wasserschlauch vor seine Pfoten schießen, er machte einen Sprung nach draußen und verzog sich gleich beleidigt. Das ist er übrigens noch immer, aber es war wichtig, dass er versteht, dass WIR die Regeln hier aufstellen, nicht er. Wie ihr seht, ging die Auflösung der Situation ganz ohne „Unterwerfen“, ohne Gewalt unsererseits.
 
Vielleicht denkt der ein oder andere jetzt, dass der Klappstuhl ihn provoziert hat, dazu aber ein Hinweis, BEVOR hier die großen Experten gleich in die Tasten hauen: wer solch einen Hund noch nicht vor der eigenen Nase hatte, sollte sich bitte ein Urteil ersparen, wirklich. Er setzt Gewalt ein, weil er es WILL, nicht, wie das bei den meisten Hunden der Fall ist, instinktiv in Schreck- und Panikmomenten. Und er ist 60cm (Schulter) hoch, mittlerweile mehr als 30kg schwer, hat sehr viel Kraft, und kann richtig viel Schaden anrichten beim Menschen. Also please 🙏 keine „Expertentipps“ von selbst auserwählten Hundeprofis 😘 ich ertraaaaaaaag’s nicht 😄😝.
 
Was ich übrigens richtig geil fand, war unsere Meute. Es waren alle anderen schon draußen, und bei uns laufen viele große Jungs mit Tendenzen wie Casimo herum, die alle schon so lange hier leben, dass sie uns blind vertrauen und uns als „Rudelchefs“ akzeptiert haben, ohne Wenn und Aber. Als Casimo ausflippte und auf Micha losging, kamen unsere ganzen Jungs angerannt und wollten Micha helfen. Ich stand zwischen der Meute und der Casi-Micha-Situation, hörte wie sie alle hinter meinem Rücken angeprescht kamen, unser Herdi ein dunkles Grollen in der Kehle, drehte mich um und blaffte sowas wie „Abmarsch mit euch! Lasst das! Bleibt!“ – und sie blieben alle in einer Reihe hinter mir stehen und beobachteten, was da passiert, ohne nochmal einen Ton von sich zu geben, bis die Situation aufgelöst war. Wow… Ich bin echt stolz auf unsere Jungs… Und Casi wird sich wieder einkriegen… Und uns alle von nun an ein bisschen besser verstehen… Ja, vielleicht wird das noch ein paarmal passieren, solch eine Situation. Aber irgendwann wird er seine Kanten geschliffen haben und erkennen, das es eigentlich doch ganz cool ist, hier zu leben – hier gibt’s nämlich neben wenigen Regeln auch echt viel Freiheit 🫶
 
Casimo wird wahrscheinlich nicht vermittelt werden können. Für Unterstützung sind wir deshalb natürlich sehr dankbar 🙏♥️.
 
Eure Jess vom Gieshübel
 
 
 

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